Gruppe Freital: "Irgendwann mal plauzen"
Im Terrorprozess gegen die Gruppe Freital steht am Dienstag zum 13. Prozesstag der Anschlag auf eine Asylwohnung auf der Bahnhofstraße in Freital im Fokus. Befragt wurde ein Nachbar aus dem Wohnhaus. Der 59-Jährige sagte aus, dass ihn der Anschlag nicht gewundert habe. Allte hätten erwartet, dass es "irgendwann mal plauzen" werde. Es hätte massive Probleme mit den Flüchtlingen gegeben, schilderte der Anwohner, der aus seiner Ablehnung gegenüber den Asylbewerbern keinen Hehl machte. Man habe sich zum Beispiel auch darüber aufgeregt, dass im Hof geraucht wurde und Kippen auf den Fußweg geworfen wurden. Er hätte einen Eimer für die Kippen bereit gestellt, mit diesem sei dann Fußball gespielt worden.
Zum Tag des Anschlages in der Nacht vom 19. zum 20. September schilderte der Anwohner, dass er damals einen riesen Knall gehört habe, das ganze Haus hätte gewackelt. Befragt wurden auch zwei Polizisten, ein Beamter von der Spurensicherung der am Fenster DNA-Spuren sicherte. Der andere Beamte war der erste Polizist am Tatort. Für Fragen sorgte das möglicherweise zögerlicher Eintreffen der Polizei am Tatort. So sei um 00:30 Uhr, also gut eine halbe Stunde nach dem Anschlag ein zweiter Notruf abgesetzt worden. Es konnte im Verfahren nicht geklärt werden, wann die Beamten genau eingetroffen sind.
Nach unseren Informationen war damals kurz vor Mitternacht ein C12-Sprengkörper (Cobra 12) in über zwei Metern Höhe mit Klebeband am Küchenfenster befestigt worden.
Durch die von der Explosion ausgelöste Druckwelle zerbarst die
Fensterscheibe, der Fensterrahmen wurde deformiert. Glas- und Kunststoffsplitter flogen durch die Küche und schlugen in der mehr als vier Meter vom Fenster entfernten gegenüberliegenden Wand ein. Die acht Personen in der Wohnung blieben unverletzt, sie befanden sich zum Tatzeitpunkt nicht in der Küche. An dem Anschlag soll der Angeklagte Patrick F. und eine weitere Person beteiligt gewesen sein.
Als Zeugen geladen wurden am Nachmittag auch drei Eritreer, die damals zum Anschlagszeitpunkt in der Wohnung lebten. Dabei schilderten sie, dass ihr Umfeld in Freital schon vor dem Sprengstoffanschlag im September 2015 ihnen gegenüber feindlich gestimmt gewesen sei. "Dass sie uns nicht mochten, wussten wir", sagte ein 28 Jahre alter Eritreer am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Dresden. Ein anderer damaliger Mitbewohner erzählte von seiner Angst nach der Explosion des Sprengkörpers am Küchenfenster der Gemeinschaftswohnung. "Ich habe mich sehr erschreckt und am ganzen Körper gezittert."
Es habe in der Stadt 2015 ständig fremdenfeindliche Demonstrationen gegeben. Häufig hätten Autofahrer vor ihrem Haus auch Hupkonzerte veranstaltet. "Ständig haben sie uns beschimpft. Und ich war immer
vorsichtig", sagte der 28-Jährige.
Integrationsministerin Köpping vor Ort
Während der Aussagen war zeitweise auch Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping im Gerichtssaal am Hammerweg anwesend. Sie wollte sich vor Ort ein Bild machen, teilte eine Sprecherin mit. Köpping teilte auf unsere Anfrage mit: "Heute ist der zehnte Jahrestag der ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter durch die NSU und gleichzeitig die Zeugenvernehmung der Opfer von Freital. Beides hat mich dazu veranlasst beim Prozess anwesend zu sein. Ich wollte zuhören. Ich habe mich zudem über die Arbeit der Opferberatung Sachsen informiert und einen Eindruck davon erhalten, wie professionell das Verfahren geführt wird."
Packt Patrick F. aus?
Unterdessen ist einer der mutmaßlichen Rädelsführer offensichtlich zur Aussage bereit. Der 25-jährige Patrick F. habe sich entsprechend geäußert, sagte der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Dresden, Thomas Fresemann, bei der Verhandlung am Dienstag. Er bot F. den nächsten Verhandlungstag am Mittwoch als Termin an. Dieser wollte zunächst jedoch mit seinem Anwalt darüber beraten. F. soll an einem Großteil der Anschläge maßgeblich beteiligt gewesen sein. Bei einer Hausdurchsuchungen in der Karlsruher Straße wurden über 100 illegale Böller sichergestellt. F. soll außerdem Mitglied der Hooligangruppe "Faust des Ostens" gewesen sein.
F. wird von der Generalbundesanwaltschaft beschuldigt, zusammen mit dem 28 Jahre alten Timo S. Rädelsführer der rechtsterroristischen Gruppe gewesen zu sein. Bislang hatte sich nur der jüngste Angeklagte, der 19 Jahre alte Justin S., vor Gericht zu den Vorwürfen eingelassen und dabei auch die anderen Mitbeschuldigten belastet. In Vernehmungen bei der Polizei hatten sich allerdings auch andere Angeklagte ausführlich zu den Taten geäußert.
Den acht Angeklagten werden fünf Anschläge auf Flüchtlinge und politische Gegner vorgeworfen. Sie sollen sich neben der Bildung einer terroristischen Vereinigung unter anderem auch wegen versuchten Mordes verantworten. (ir/as/mit dpa)