- Weil Sachsen knapp 2000 Lehrer fehlen, soll jetzt vieles umstrukturiert werden
- Conrad Clemens ist Sachsens neuer Kultusminister
Sachsens großer Lehrer-Plan: Länger arbeiten, Versetzung aufs Land, weniger Klausuren
Trotz finanzieller Anreize und Verbeamtung fehlen Sachsen, laut Kultusministerium, weiterhin 1900 Lehrer. Vor allem im ländlichen Raum ist die Unterrichtsversorgung an manchen Schulen prekär, nur 70 Prozent der Schulstunden können abgesichert werden, weiß man auch im Ministerium in Dresden. Deswegen legt der neue Kultusminister Conrad Clemens (CDU) heute dem Kabinett ein umfangreiches Maßnahme-Paket gegen den Lehrermangel vor. Damit sollen „bestehende Effizienzpotentiale in der schulischen Organisation, der Klassenbildung, der Beschulung von bestimmten Schülergruppen sowie in der Lehrerbildung genutzt“ werden. Auch das bestehende Lehrerpotential solle noch effizienter eingesetzt werden, so der Minister.
Mehr Stunden für ältere Lehrer
Und gerade darin liegt der Knackpunkt, der unter den Lehrern sicher zu heftigen Diskussionen führen wird. Konkret sollen die größten Kapazitäten (entspräche 144 neuen Vollzeit-Stellen) bei der Reform der sogenannten „Altersermäßigung“ für Lehrer herausgeholt werden. Zum Hintergrund: Bisher bekommen Lehrer ab dem Alter von 58, 60 und 61 Jahren jeweils eine Unterrichtsstunde pro Woche erlassen - bei gleichem Gehalt. „Wer dieses Jahr 58 Jahre alt ist, für den bleibt diese Regelung erhalten“, so der Minister. Doch ab dem neuen Schuljahr soll die Stundenreduzierung erst ab einem Alter von 63 Jahren gelten (1 Stunde) und gestaffelt bis zum Alter von 66 Jahren um 6 Wochenstunden weiter reduziert werden. „So wollen wir ältere Lehrer ermutigen, länger im Dienst zu bleiben“, erklärt Minister Clemens.
Fraglich, ob die Rechnung aufgeht. Denn bisher gehen von den über 31.000 Lehrer im Freistaat 92 Prozent mit 63 Jahren vorzeitig in den Ruhestand. 35 Prozent von ihnen arbeiten auch in Teilzeit, wenn sie dafür Kindererziehung oder die Pflege naher Angehöriger geltend machen können.
Die Gewerkschaft GEW reagierte heute prompt auf die Vorschläge:„Das ist ein schwerer Angriff auf die Lehrkräfte in Sachsen, gegen den wir uns wehren werden. An vielen Stellen trifft es ausgerechnet die älteren Kolleginnen und Kollegen, die seit vielen Jahren die politischen Fehler des CDU-geführten Kultusministeriums ausbaden müssen. Über 15 Jahre wurden kaum Lehrkräfte eingestellt und die Politik manövrierte sehenden Auges in den Lehrkräftemangel“, so Burkhard Naumann, Landesvorsitzender der GEW in Sachsen.
Im Gegenzug sollen junge Lehrer mehr arbeiten dürfen und die Überstunden dann auf einem Zeitkonto für die Zukunft gut geschrieben bekommen können. Zudem soll weniger Fachberatung und dafür mehr Unterricht stattfinden, weniger Klausuren geschrieben werden (weniger Zeitaufwand zum Kontrollieren für die Lehrer und die Prüfungen an Ober- und Förderschulen reformiert werden. Auch der Zugang zum Lehrerberuf soll für Seiteneinsteiger weiter vereinfacht werden, Lehramtsstudenten schon frühzeitiger im Schulbetrieb eingesetzt werden. Hort-Angebote sollen vorrangig durch Schulassistenten und nicht mehr durch Lehrer koordiniert werden. Und auch die DAZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache - für Kinder mit Migrationshintergrund) sollen gestrafft werden.
Ab aufs Land
Alles in allem schaffe das zeitliche Freiräume, die 790 neuen Lehrern im Jahr entsprechen würden, rechnet das Kultusministerium. Da die Lehrer-Not aber nicht überall gleich groß ist, „könne es sein, dass einige Schulen auf eine Abdeckung von über 100 Prozent rutschen“, so Clemens. Heißt: Sie hätten sogar zu viele Lehrer, würden dann in anderen Schulen mit mehr Lehrermangel eingesetzt. Clemens: „Desweiteren ist vorgesehen, intensiver die Möglichkeit zu nutzen, neben Grundschullehrkräften auch Gymnasialkräfte an Oberschulen einzusetzen und sie entsprechend abzordnen oder zu versetzen“. Den Vorschlägen folgt jetzt eine zweimonatige Konsultation mit der Gewerkschaft GEW, die bereits jetzt Änderungsbedarf ankündigt. GEW-Chef Naumann: „Der Schuss geht nach hinten los, wenn die Attraktivität des Berufs und die Qualität des Unterrichts weiter sinken. Dann werden sich noch weniger Menschen für diesen Beruf entscheiden und ältere Lehrkräfte noch schneller in den Ruhestand gehen.“
40-Stunden-Woche
Dass Sachsens Lehrer jedoch zeitlich total überlastet sind, wie die GEW betont, stützt eine aktuelle Arbeitszeitstudie des Kultusministeriums nur bedingt. In der bisher größten Erfassung der eigenen Arbeitszeit in Deutschland gaben ca. 4500 sächsische Lehrer an, in Schulwochen im Schnitt knapp über 40 Stunden zu arbeiten. In den Ferien sind es entsprechend weniger Stunden. Der Soll-Durchschnitt übers ganze Schuljahr gerechnet für eine Vollzeitstelle (inklusive Ferien) liegt bei 35 Stunden/Woche.
Sie zeigt aber auch, wie viel Zeit wirklich für organisatorische Aufgaben (30 Prozent) statt für den eigentlichen Unterricht und seine Vorbereitung (70 Prozent) drauf geht. Viele Lehrer bemängeln die Dokumentationspflichten (78 Prozent der Nennungen), die Feststellung des individuellen Förderbedarfs (89 Prozent) oder auch den Umgang mit individuellen Anforderungen der Schüler (91 Prozent).

