- Ein Blick auf den 70.000 Euro Radweg, der bereits nach zwei Monaten wieder verschwinden soll.
- Die Befürchtung vieler Kritiker: Busse und Autos stehen deutlich länger im Stau.
- Der markierte Radweg führt bis zum Schillerplatz.
- Am Sonntag (07.04.) wurden die Markierungen aufgetragen.
- Autofahrer sehen sprichwörtlich "rot".
Stadträte fordern: Stoppt das Rad-Experiment am Blauen Wunder!
Eine Abbiegespur für Autofahrer weniger, dafür ein breit markierter Radstreifen: so soll es jetzt am Blauen Wunder in Dresden zwei Monate rollen. So zumindest die Vorstellung des grünen Verkehrsbürgermeisters Stephan Kühn. 70.000 Euro hat er für die Markierung ausgegeben. Dass es nicht rollt, zeigt sein Verkehrsversuch gleich am ersten Tag.
Der Radverkehrsversuch am Blauen Wunder hat gleich zum Start am Montag ein Verkehrschaos ausgelöst. Der Stau auf der Pillnitzer Landstraße reichte bis Wachwitz. Auch auf der Grundstraße und der Schillerstraße standen Autos und Busse im Stau. Selbst auf der Bautzner Straße waren die Auswirkungen zu spüren.
Die Stadt will mit dem Test in den nächsten zwei Monaten herausfinden, ob ein Radweg über die Brücke sinnvoll ist. Was Radfahrer freuen dürfte, macht Autofahrer richtig wütend, denn eine Fahrspur Richtung Schillerplatz fehlt nun. Nicht nur in der Hauptverkehrszeit ist das ein Problem.
DVB reagieren verärgert - Busse stehen im Stau
Die neue Radspur hat gleich am Montagmorgen auch die Dresdner Verkehrsbetriebe ausgebremst. Die Busse auf den Linien 61 und 63 hatten durch den Stau bis zu 45 Minuten Verspätung, sagte uns ein DVB-Sprecher. Erst am Vormittag habe sich die Situation wieder entspannt. In der Simulation war man von etwa sieben Minuten Verspätung durch den Radweg ausgegangen.
Ob es am Dienstag im Berufsverkehr auch wieder so dick kommt, sei schwer vorherzusagen, so die DVB. Viele Dresdner werden aber sicherheitshalber wohl einen oder sogar zwei Busse früher fahren.
Reaktionen aus der Politik: Heftige Kritik an Verkehrsbürgermeister Kühn
Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn muss für sein Rad-Experiment am Blauen Wunder harsche Kritik einstecken. Schon der erste Tag habe gezeigt, dass es nicht funktioniert, wettern zum Beispiel FDP, Linke und Freie Wähler. Sie fordern Kühn auf, das Experiment sofort zu beenden.
„Die größten Feinde der grünen Verkehrswende scheinen die Grünen selbst zu sein. Wenn Herr Kühn noch ein Ass im Ärmel hat, mit dem er die Probleme am Schillerplatz bereinigen kann, wäre jetzt der Moment, es auf den Tisch zu legen. Ansonsten ist der Verkehrsversuch unverzüglich abzubrechen“, sagt LINKE-Stadtrat Tilo Wirtz.
Holger Zastrow vom Wählerbündnis Team Zastrow schließt sich dem an: „Es bleibt ein Rätsel, wieso die Dresdner Stadtspitze derart stur an einer gegen die übergroße Mehrheit der Verkehrsteilnehmer gerichteten Politik festhält, obwohl in zentralen Abschnitten sogar von größeren Sicherheitsrisiken für Radfahrer als von einem Sicherheitsgewinn ausgegangen werden muss. Es stellt sich die Frage, wer die Verantwortung für diesen Versuch übernimmt?“
Die Markierungen für den vorübergehenden Radweg waren am Sonntag aufgebracht worden. Der Test zwischen Schillerplatz und Körnerplatz läuft im Rahmen eines sogenannten Verkehrsversuchs.
Der Radstreifen soll laut Stadt die Sicherheit von Radlern und Fußgängern erhöhen. Kritiker befürchten allerdings Staus für Autos und die Busse der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB).
Audio:
Wie war die bisherige Situation?
Bislang gab es zwischen Körner- und Schillerplatz keine Radwege. Oftmals wichen die Radler daher auf den Gehwegbereich aus, was in der Vergangenheit zu Streitigkeiten mit Fußgängern führte.
"Die Gehwege sind am Schillerplatz ja nicht besonders breit", sagte uns Baubürgermeister Stephan Kühn. "Wir hoffen, dass sich die Radler durch den Verkehrsversuch sicherer fühlen und über die Brücke fahren, damit es weniger Konflikte mit den Fußgängern gibt."
Bereits im Oktober 2023 hatte der Versuch eigentlich starten sollen. Damals machte aber das Wetter der Stadt einen Strich durch die Rechnung. Der Versuch wurde daher verschoben.
Was hat sich geändert?
Bereits durch die Baustelle hatten die Autofahrer nur zwei statt drei Spuren auf der Brücke zur Verfügung. Das hat sich nach den Arbeiten nicht geändert. Neu ist, das nun auch eine Spur für den Verkehr am Schillerplatz entfällt.
"Die meisten Radler fahren von der Brücke Richtung Schillerplatz aus in die Hüblerstraße, weil man da in die Wohngebiete kommt", so Kühn. Dort gibt es nun einen Radstreifen, und dafür eine Kfz-Spur weniger.
"Das heißt, es wird weiterhin eine Spur zum Rechtsabbiegen in die Naumannstraße geben, also in die Innenstadt rein", so der Grünen-Politiker. "Und dann gibt es statt zwei Spuren eben eine Spur, da kann man in die Hüblerstraße fahren oder nach links abbiegen in die Tolkewitzer Straße."
Wie lange bleiben die Radstreifen?
Bei dem Verkehrsversuch handelt es sich um ein zeitlich befristetes Vorhaben. Bis zum 16. Juni, also knapp zwei Monate, bleiben die Markierungen.
Während des Versuches laufen die gesamte Zeit wissenschaftliche Auswertungen. Im Fokus steht beispielsweise, ob weniger Radler auf den Gehwegen fahren, ob generell mehr Menschen auf das Rad umsteigen oder, wie lange die Busse und Autos früh in der Rush Hour benötigen.
Erst auf der Basis dieser Daten wird dann entschieden, ob die Radmarkierungen endgültig bleiben.
Was sind die größten Kritikpunkte?
Das die Radwege kommen, hatte der Stadtrat bereits im Jahr 2001 beschlossen. Doch 22 Jahre lang passierte nichts.
Hauptkritik sind die Staus, auf die sich Fahrgäste des ÖPNV und Autos einstellen sollten. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass in den Spitzenzeiten mit Verzögerungen bis zu 12 Minuten gerechnet werden muss.
Auch die Kosten sorgen für Verdruss: Denn die Markierungen bleiben gerade einmal für zwei Monate. Dafür greift die Stadt tief in die Tasche und investiert 70.000 Euro.
Um den Start der Markierungsarbeiten gab es im vergangenen Jahr ein großes Hin und Her. Nach der Ankündigung von Kühn, mit der Umsetzung zu starten, äußerte vor allem die CDU scharfe Kritik, bezeichnete das Vorhaben als "Verkehrschaos". Mehrere Stadträte fühlten sich übergangen. Als Reaktion legte Hilbert die Pläne auf Eis.
Daraufhin rief der Dresdner Fahrradclub zu einer Demonstration auf der Brücke auf. Hunderte Radfahrer brachten den Verkehr zum Erliegen.
Kritische Hörermeldung zum Blauen Wunder
Diese Nachrichten erreichten uns rund um den Verkehrsversuch.
"Sehr geehrtes Team von Radio Dresden, jetzt hat die Stadtverwaltung Dresden den absoluten Gau steigen lassen mit der diktatorischen Errichtung der Radspur auf der Loschwitzer Brücke. Ich verlange den umgehenden Rückbau dieser Maßnahme. Bitte setzt euch ein für die Errichtung einer Radspur auf dem einen jetzigen Fußweg, am besten oberstromseitig und die andere Seite nur für Fußgänger. Bitte beenden Sie auch im Hinblick des Staus und der dadurch entstandenen verschärften Umweltschutzprobleme die unerträgliche Situation. Dieser Versuch ist bereits jetzt gescheitert nach wenigen Stunden, hat außer Ärger bei der (berufstätigen) Bevölkerung nichts gebracht. Mit freundlichen Grüßen, Ralf K."
"Hallo, ich hoffe ab heute gibt es auch genug Medienvertreter, Beobachter, Zähler und Kommentierungen dieses Versuches. Heute standen auf der Pillnitzer Landstraße PKW, Handwerker, Fahrdienste für Behinderte und Busse gemeinsam im Stau. [...] Um 8.45 Uhr war der Stau aus Richtung Pillnitz bis Körnerplatz immer noch auf Höhe Hegenbartstr., es standen 4 Busse der Linie 63 darin. Das zeigt, das sich deren Verspätungen potenziert haben. Da hilft es auch nicht, einen Bus eher zu nehmen. Ein Nadelöhr wird nochmal verengt - wieviele Radfahrer profitieren davon? Wird es sicherer? [...] - A.K.Sepsi"
"Guten Tag liebe Redaktion, [...] Können Sie mir helfen und mir eine E-Mail des verantwortlichen Verkehrsminister/ Dezernenten etc. mitteilen, welcher für das Verkehrschaos am Schillerplatz verantwortlich ist. Ich möchte mich für eine Stunde mehr Arbeitsweg herzlich bei ihm bedanken. Seit 24 Jahren arbeite ich in einer Dresdner Klinik auf einer Intensivstation, fahre täglich über das Blaue Wunder und freue mich nun jeden Tag eine Stunde länger für den Hin- und Rückweg zu verbrauchen .....wem kann ich meinen Dank aussprechen? Danke für Ihre Hilfe. Hochachtungsvoll, J. Herzog"
Positive Stimmen zum Verkehrsversuch
"Liebes Radio Dresden Team, heute hat der Verkehrsversuch auf dem Blauen Wunder begonnen, und ich bin begeistert! Endlich kann ich auch meine kleinen Sohn Till (13) mit dem Fahrrad in die Schule fahren lassen. Vor der Markierung der Radwege war das viel zu gefährlich. Ich wünsche mir, dass Dresden noch mehr solcher Radwege bekommt, damit das Radfahren endlich für alle sicherer wird. Viele Grüße, M. Joos".
"Liebes Radio Dresden Team, diese ganze Aufregung um dieses kurze Stück Radweg ist wirklich nicht zu glauben. Wenn man sich andere Städte ansieht, sind sie deutlich weiter beim Ausbau der Fahrradwege. Vielleicht musste man dort auch nicht wegen jedem bisschen Meter bis ins Mark diskutieren...Ich kann nur sagen, ich begrüße diesen Fahrradweg sehr! Man fühlt sich deutlich sicherer und wird als eigenständiger Verkehrsteilnehmer wahrgenommen. Beim einordnen in die linke Spur wurde ich mehr als einmal von Autofahrern geschnitten und beschimpft. Natürlich dauert es, bis sich alle an die neue Situation gewöhnt haben. Aber wenn Autofahrer mit Umweltschutzgründen argumentieren ist das lachhaft. Und wen es stört - der möge doch einfach auch aufs Fahrrad umsteigen...aber das geht natürlich nicht [...]. Viele Grüße, D.Hau"









