Ärger um Software-Test in der Feuerwehrleitstelle
Wenn bei Firmen und Behörden neue Software eingeführt wird, läuft es häufig anfangs nicht rund. Wenn ein langjähriger Windows-Nutzer auf Apple oder Linux umsteigen soll oder umgekehrt, erst recht nicht. Wenn es allerdings um Sekunden geht, im wörtlichen Sinne um Leben und Tod, dann sollte alles reibungslos funktionieren:
In der Leitstelle der Dresdner Feuerwehr in Übigau, dort wo alle 112-Notrufe für die Region Dresden entgegen genommen werden, wird seit April eine neue Software im täglichen Betrieb getestet - und die läuft offenbar nach einer internen Einschätzung nicht rund. Das Programm soll den Disponenten in der Leitstelle helfen, in einem Notfall standardisiert medizinische Details abzufragen, um dann Sanitätern und Notarzt schon erste Informationen beisteuern zu können. Wenn das gut funktioniert, weiß der Notarzt im besten Fall schon, liegt ein Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma vor, eine Bewusstlosigkeit oder andere schwerwiegende Auswirkungen. Auch Fehlalarmierungen und der Einsatz zu vieler Kräfte kann im besten Fall verhindert werden.
Dresden stuft Software als "ungenügend" ein
Das neue Testprogramm in der Dresdner Leitstelle wird intern allerdings als "ungenügend" eingeschätzt und "entspricht nicht den Anforderungen". Kritisiert wird beispielsweise die Bedienoberfläche, die an verschiedenen Stellen aus Dresdner Sicht Mängel hätte. Diese würden es nicht erlauben, in der "zeitkritischen Notrufabfrage mit dem Hilfeersuchenden zeitgleich die Fachanwendung gesichert zu bedienen". Dort erwarte man beispielsweise eine Neugestaltung.
Herstellerfirma: keine Fehler
Der Chef der Herstellerfirma, Dr. Jakob C. Bernlochner, betonte auf unsere Anfrage dazu am Telefon, dass das System in mehreren Ländern bei vielen Leitstellen ohne Probleme läuft. Man sei bemüht, speziellen Kundenwünschen nachzukommen. Dr. Bernlocher betonte dabei auch, dass es sich um eine Standardsoftware handelt. Es sei ein großer Aufwand, die Bedürfnisse Einzelner zu erfüllen. Weiter führte er aus, dass zudem eine komplexe Netzwerkstruktur Anpassungen erforderlich macht und dass es problematisch sei, wenn beispielsweise von einigen Arbeitsplätzen Netzlaufwerke nicht erreichbar sind. Abschließend stellte er klar, dass in Dresden aktuell keine Fehler an der Software vorliegen. Über Wünsche wie die Gestaltung von Buttons oder Eingabemasken könne man natürlich reden.
Zwickau will System ab August nutzen
Auch in Zwickau soll die Software ab dem 1. August eingesetzt werden. Dort seien fünf Fehler zuvor gemeldet worden, diese habe man abgestellt, berichtete Dr. Bernlocher. Wie die DNN berichten, soll die Anschaffung in Zwickau etwa 200.000 Euro kosten. Was die Anschaffung für Dresden kosten würde, ist nicht bekannt. Die Stadtverwaltung Dresden wollte keine Angaben machen. Der Amtsleiter des Brand- und Katastrophenschutzamtes, Andreas Rümpel, teilte schriftlich mit: "Da wir uns in einem laufenden Beschaffungsverfahren befinden, werden wir diese Themen nicht öffentlich diskutieren und keine Kostenaussagen abgeben. "
Feuerwehrchef: "Keine Auswirkungen auf Einsatzbereitschaft"
Rümpel führte weiter aus, dass "grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Leitstelle Dresden festzustellen" sind. "Das Zusatzmodul ist zum heutigen Zeitpunkt bei keiner anderen Leitstelle in Sachsen im operativen Einsatz." Ob das Programm weiter genutzt wird oder der Test beendet wird, dazu wurden keine Aussagen getroffen. Intern wurde empfohlen, nach einer Beantwortung von offenen Fragen, auch das Rechtsamt der Stadt Dresden zu involvieren.
Leitstelle nimmt über 400 Anrufe am Tag entgegen
2013 ist die Leitstelle in Übigau eingeweiht worden: 11,5 Millionen Euro haben Stadt, Landkreise und Freistaat investiert. An insgesamt 21 Arbeitsplätzen nehmen die Kameraden in der Scharfenberger Straße Notrufe entgegen und koordinieren die Rettungskräfte. Täglich gehen über 400 Anrufe über den Notruf 112 ein.
Wir hatten die Herstellerfirma und die Dresdner Feuerwehr auch die Beantwortung eines Fragenkataloges gebeten. Der Firmenchef antwortete telefonisch, der Amtsleiter der Dresdner Feuerwehr hat uns eine schriftliche Antwort zugesendet, die wir hier dokumentieren:
Die Notrufabfrage stellt einen der Kernprozesse in der Leitstellentätigkeit da. Die Integrierte Regionalleitstelle Dresden hat sich zur Aufgabe gestellt, diesem Kernprozess erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen:
Ein Standard in der Notrufabfrage beschreibt bei
- gleichen oder ähnlichen Situationen/ Lagen
- gleiche oder ähnliche Fragestellungen mit
- gleichen oder ähnlichen Dispositionsergebnissen.
Zum Erreichen dessen wird in der Leitstelle Dresden nach den Rechtsvorschriften des Freistaat Sachsen qualifiziertes Personal eingesetzt. Nachdem bereits seit mehreren Jahren die Telefonreanimation in angezeigten Fällen angeboten wurde, so erfolgte bisher die Notrufabfrage nach schriftlich fixierten und geschulten Standards. Hinzu kamen ergänzende Hilfsmittel für den Disponenten, welche zwischen den Leitstellen fachlich abgestimmt waren. Ein deutschlandweit gültiger Standard oder eine Struktur ist hier nicht definiert.
Im Jahre 2017 hat sich die Leitstelle Dresden zusammen mit den anderen Leitstellen in Sachsen dazu entschieden, hier ein ergänzendes Softwaremodul zum bereits in Betrieb befindlichen einheitlichem Einsatzleitsystem Sachsen zu beschaffen. Nach einer Schulung aller Disponenten erfolgt in der Leitstelle Dresden seit April 2018 der operative Probebetrieb dieser Ergänzung für die Abfrage medizinischer Notfälle.
Der Disponent kann dieses Softwaremodul aber grundsätzlich umgehen und den Notruf wie bisher bearbeiten.
Bei der Bewertung für die künftige Nutzung in dieser andauernden Testphase legen wir auf folgende Themen besonderen Wert
- Optimierung/ Einhaltung der DIN EN ISO 9241-10 „Ergonomische
Anforderungen Dialoggestaltung“ in den Bedienoberflächen, welche zum konkreten Zeitpunkt der Notrufabfrage Anwendung finden,
- Nachvollziehbarkeit des Abfrageverlaufs bereits bei der Datenpflege
und Zuordnung eines Einsatzmittelvorschlags zur Rechtssicherheit des Verfahrens
- Nachträgliche Qualitätsbewertung der Notrufabfrage durch einen
Verantwortlichen für Qualitätsmanagement und Ableitung von Fortbildungsbedarf für das Personal
- langfristige Sicherheit in der Fortentwicklung und Nutzung des
IT-Verfahrens
Wie bei der Einführung komplexer IT-Verfahren üblich, befinden wir uns hier im Dialog mit dem Auftragnehmer, um aufgetretene Fragestellungen, Schwierigkeiten in der Nutzung schnellstmöglich aufzuklären und eine Lösung herbeizuführen. Hierbei nutzen wir die im Rahmen von Beschaffungen vorgesehenen Instrumente zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Da wir uns in einem laufenden Beschaffungsverfahren befinden, werden wir diese Themen nicht öffentlich diskutieren und keine Kostenaussagen abgeben.
Für die Hilfeersuchenden bestehen die gleichen Standards in der Notrufabfrage fort, welche auch vor Einführung des Zusatzmoduls zum Tragen gekommen sind.
Dies bedeutet vor allem
- Grundinformationen sofort abfragen
- Zusatzinformationen erheben
- Hilfehinweise anbieten
- eine konkrete Hilfezusage geben
Damit sind grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Leitstelle Dresden festzustellen.
Das Zusatzmodul ist zum heutigen Zeitpunkt bei keiner anderen Leitstelle in Sachsen im operativen Einsatz.
